Am Abend sparzieren wir noch mal zum Hafen, da dieser nur ein kurzer Fußweg entfernt ist. Rechts und links stehen schön geschnittene Bäume und irgendwie sieht der Blick zum Hafen aus wie eine Allee. Wir gehen den Weg weiter runter und sind dann am Hafen. Der am Ems-Jade-Kanal gelegene Hafen beherbergt neben Bootsliegeplätzen auch einen Bootsverleih für Hausboote, Motorboote, Tretboote und Kanus. Unter anderem auch das Ausflugsschiff MS Aurich. Wer es beschaulicher mag, kann an einer Ausflugsfahrt auf dem historischen Ausflugsschiff teilnehmen. Eine schöne Tour heißt „Ab durch die Schleuse“. Aurichs Uferpromenade begleitet das Schiff beim Verlassen des Hafens gleich hinter der ersten Brücke. Nach kurzer Zeit gelangt es in die Schleuse Kukelorum, wo es von 3,70 Meter über NN auf 2,70 Meter über NN abgesenkt wird. Um auf dem 20 km langen Stück, das von hier bis kurz vor den Emder Hafen führt, ohne Schleusen auszukommen, wurde das Kanalbett auf niedriger verlaufendem Gelände gewaltig aufgeschüttet. Das Kanalbett verläuft wesentlich höher, als seine wiesenreiche Umgebung. Dieser erhabene Ausblick verschafft oft unvermutet Blickkontakt zu seltenen Wasservögeln oder zu Schaf- und Pferdeherden. Nach dem Passieren der Fahnster Brücke sieht man die einzig noch betriebene Werft am Ems-Jade-Kanal. Außerdem ist der Hafen ein Ausgangspunkt für die beliebten Fahrradtouren der Aurich Rundtour. Auf Strecken zwischen 20 und 45 Kilometer können sie per Rad die Umgebung Aurichs bestens erkunden. Das haben wir uns für morgen vorgenommen.
Am frühen Vormittag nehmen wir die Fahrräder und fahren als erstes zu der Stiftmühle in Aurich. Die Mühle liegt direkt an der Auricher Mühlentour. Sie ist die höchste zu besichtigende historische Windmühle Deutschlands. Das macht die Stiftsmühle zu einem weithin sichtbaren Wahrzeichen der Stadt Aurich. Die Mühle ist 160 Jahre alt und fast 30 Meter hoch und somit die zweithöchste Mühle Ostfrieslands. Der fünfstöckige Unterbau wurde aus über 200.000 Ziegelsteinen gemauert. Hier in der Mühle befindet sich das Mühlenfachmuseum Stiftsmühle. Im Inneren werden auf den fünf Etagen diverse Exponate wie Maschinen, Mahlgeräte und Mühlenmodelle ausgestellt. Wir sehen Schautafeln auf denen die Schritte des Mahlbetriebs verdeutlicht werden und lesen, dass man zu bestimmten Zeiten bei dem Mahlbetrieb zuschauen kann. Wir gehen noch auf die Mühle und haben von der Galerie aus einen wunderschönen Ausblick über die Stadt.
Dann führt uns der Weg weiter zu dem Ortsteil Rahe. Eigentlich sollen wir hier abbiegen und die Straße zum Upstalsboom folgen. Wir aber fahren weiter und kommen an ein altes Tor. Hier gehen wir durch und sind auf einer wunderschönen Buchenallee. Rechts und links stehen abwechseln Bänke und Schautafeln, die uns über die Zeit der Friesischen Freiheit aufklären und uns auf die Begegnung mit dem Denkmal auf dem Frühmittelalterlichen Grabhügel und dessen Bedeutung vorbereiten. Beim Lesen der Tafeln nähern wir uns am Ende der Allee einen Hügel auf der eine Pyramide steht. Am Upstalsboom steht das Denkmal der freien Friesen, eine vierseitige Steinpyramide aus Findlingen.Ich gebe hier mal ein bisschen geschichtliches der Tafeln wieder. Hier, auf der Geest auf einer durch die letzte Eiszeit aufgestauten Höhe, war die Versammlungsstätte der Abgesandten der friesischen Landesgemeinden, der Sieben Seelande, die sich zu einem Bund zusammengeschlossen hatten. Hier wurde vom Recht gesprochen und die Einheit und Freiheit Frieslands beschworen. Der Hügel stammt, das haben Grabungen ergeben, schon aus einer früheren Zeit. Man fand ein Damaszenerschwert, Glasperlen und drei eiserne Messer aus Bestattungen aus der Zeit um 800. Es handelt sich also um einen Grabhügel, wahrscheinlich den einer bedeutenden Familie. Im östlich an den Hügel angrenzenden Gelände konnte eine zeitgleiche Kulturschicht ergraben werden. Der Name „Upstalsboom“ stammt wahrscheinlich aus späterer Zeit. Er leitet sich nach neuesten Erkenntnissen von Upstal, eingezäuntes Flurstück, ab. Hier wurde das entlaufene Vieh der Allmende, des gemeinsamen Weidegebietes der Dorfgemeinschaft, aufgestallt. Bei dem Boom handelte es sich um ein bearbeitetes Rundholz (z.B. Schlagbaum), das hier vielleicht zum Anbinden des Viehs stand. Wir fahren links vom Denkmal aus gesehen weiter und treffen noch auf ein paar Schautafeln. Sehr informativ. Wieder viel dazu gelernt. Heißt ja auch: Man lernt nie aus.
Wir überqueren die Hauptstraße und kommen zur Schleuse Kukelorum. Die Schleuse befindet sich im Stadtteil Rahe. Wir stellen die Fahrräder ab, setzen uns ins Gras und genießen diesen tollen Blick auf den Ems-Jade-Kanal. Hin und wieder kommen mal Ruderboote oder kleine Motorboote. Aber dafür jede Menge Radfahrer von den Radwanderwegen. Der Radweg führt ja auch direkt am Ems-Jade-Kanal entlang. Der Ems-Jade-Weg ist 73 Kilometer lang und führt von Emden über Aurich nach Wilhelmshaven. Der Weg ist nach dem Kanal benannt, der die beiden Flüsse Ems und Jade verbindet. Wir gehen rüber zur Schleuse und lesen, dass der dortige damalige Schleusenwärter die Aufgabe hatte, den Kanal zu beobachten um die Schiffe frühzeitig kommen zu sehen. Er musste also kieken und luren, deshalb der Name Kukelorum. Es gibt ein schönes Lokal mit Terrasse. Wir holen uns was zu trinken und setzen uns ans Wasser. Von hier aus haben wir einen guten Blick auf die 55 Meter lange Schleuse die über zwei Kammern mit insgesamt drei Stemmtorpaaren verfügt. Die neue Klappbrücke in Drehbrückenoptik vervollständigt das Gesamtbild aus Schleuse, Brücke und historischen Gebäuden. Hier kann man stundenlang verweilen, wir aber wollen weiter.
Wir fahren ein Stück zurück Richtung Aurich und biegen rechts ab. Wir wollen zur Schleuse in Wiesens. Unterwegs sehen wir hier und da mal einen Steg direkt am Wasser. Bei dem einen oder anderen gehen wir auf den Steg und nutzen diesen für eine kleine Pause. Auch hier begegnen wir Bootsfahrer und natürlich auch Radfahrer. Dann sind wir da und eine kleine Entenfamilie versperrt uns den Weg und ziehen das Interesse auf sich. Wir schieben die Räder vorbei und kommen zu der historischen Schleuse Wiesens direkt am Ems-Jade-Kanal. An der 33 Meter langen Schleuse befindet sich auch ein toller Rastplatz für Fahrradfahrer. Außerdem befindet sich hier auch die Anlage des Bootsportvereins. Auch hier stellen wir die Räder wieder ab und genießen die Ruhe und die Idylle am Rande des Landschafts- und Naturschutzgebietes. Immer wenn es schön ist, vergeht die Zeit wie im Fluge. Wir holen die Räder und fahren weiter.
Da der Weg zurück am Wasser der gleiche ist, beschließen wir durch den Ort Wiesens zu fahren. Die Johannes der Täufer Kirche auf einer Warft liegend ist der historische Mittelpunkt des Ortes. Sie hat einen freistehenden Glockenturm. In dem Glockenturm befindet sich die älteste noch läutende Glocke Ostfrieslands. Bei den dreizehn Eichen neben der Kirche befindet sich der Tjedestein. Auf dem Stein sehen wir stark verwittert ein gabelähnliches Gebilde und eine kreuzförmige Darstellung. Vor der Kirche steht das Denkmal für die Gefallenen des ersten Weltkrieges. Außerdem steht hier auch noch eine richtige Dorfkneipe und es gibt eine Sitzecke mit Bänken und einen alten Brunnen. Es geht weiter und kurz vor Aurich fahren wir wieder an den Ems-Jade-Kanal und zurück zum Platz.
Hier in Aurich am Ufer des Ems-Jade-Kanal radelt man vorbei an kleinen Dörfern. Passiert historische Brücken und Schleusen. Man erlebt verschiedene Landschaftstypen, sieht tolle Denkmäler und kommt an alten Mühlen vorbei. So abwechslungsreich, ruhig und idyllisch.